… ist in diesen Tagen in fast allen Medien zu vernehmen, die auch entsprechende Informationen bereitstellen. Dass dieser Tag nicht vom Nationalsozialismus eingeführt sondern von diesem zu Propagandazwecken genutzt wurde, dürfte inzwischen jedem bekannt sein.
Wir möchten nicht weiter informieren, sondern gehen einen etwas anderen Weg.
Schon 2015 haben wir einen Gastbeitrag eben zu diesem Thema „Muttertag“ erhalten, der durch persönliche Erfahrungen und Geschichten seine ganz besondere Note bekommt. Hier ist er noch einmal in voller Länge nachzulesen.
Marie Reeves Jarvis oder: „Wie der Muttertag entstand“
(ez) Dank gebührt der Amerikanerin Ann Marie Reeves Jarvis, dass sie den Muttertag eingeführt hat. Sie hatte im Jahr 1905 ihre Mutter, die sie sehr liebte, verloren. Es fiel ihr schwer, anzuerkennen, dass es der normale Lauf des Lebens ist, dass jeder Mensch spätestens im eigenen Erwachsenenalter irgendwann einmal dem Tod der Mutter oder der Eltern ins Auge sehen muss.
Anlässlich des ersten Jahrestages, am zweiten Mai-Sonntag, schmückten ihre Schwester Elinor und sie das Bild der Mutter mit Blumen und stellten eine brennende Wachskerze davor. So hielten sie eine Gedenkfeier für die liebe Verstorbene, an der sie mit so viel Liebe und Dankbarkeit immer noch hingen und die sie schmerzlich vermissten. Ann war schon vorher eine engagierte Streiterin für die Rechte der Frau, für die sie täglich ihre Stimme erhob. Sie versuchte nun geradezu fanatisch, die öffentliche Meinung für ihr neues Anliegen zu gewinnen. So war es verständlich, dass sie sich nicht damit begnügen wollte und konnte, nur das Andenken und die Verdienste ihrer eigenen Mutter in der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu rücken. Sie wollte dies für alle Frauen erreichen, nämlich die Anerkennung ihrer Leistung als Erzieherin der Kinder und treue Gefährtin des Mannes. Hielten sie ihm doch den Rücken frei für seine Karriere, indem sie sich weitgehend selbstständig um die häuslichen Dinge kümmerten.
Obwohl Ann und ihre Schwester selbst nicht verheiratet waren, setzten sie sich für die Anerkennung der Verdienste der Mütter so vehement ein, dass sie fast ihr ganzes Erbe daran setzten. Ann gründete eigens für die Durchsetzung eines offiziellen Muttertages ein Büro in Philadelphia und später noch in Washington, um in der Nähe der Abgeordneten des Kongresses zu sein und Einfluss nehmen zu können. Letzten Endes erreichte Ann Jarvis ihr Lebensziel, als Präsident Wilson 1914 den jeweils zweiten Sonntag im Mai zum allgemeinen „Muttertag“ erklärte. Sie hatte nicht lange Freude daran, denn die Geschäftswelt bemächtigte sich sehr bald des neuen Schlagwortes und machte weltweit Riesenumsätze mit dem Verkauf von Blumen, Pralinen, Geschenkartikeln und mit der Durchführung von Veranstaltungen zur Feier dieses besonderen Tages der Mütter. Ann Jarvis prozessierte gegen diesen Missbrauch ihrer gut gemeinten Idee, verlor nach und nach ihr Vermögen und starb verarmt in Philadelphia. So wurde aus einem sehr privaten Akt der Dankbarkeit und Liebe ein offiziell eingeführter und immer wieder auch umstrittener allgemeiner Gedenktag, der in keinem Kalender fehlt.
Manche Menschen fühlen sich manipuliert durch die Werbung und den allgemeinen Erwartungsdruck, der mit diesem Tag verbunden ist. Andere wieder sind froh, dass sie dadurch daran erinnert werden, wenigstens einmal im Jahr ein äußerliches Zeichen ihrer Liebe und Dankbarkeit zu geben, ohne lange darüber nachdenken zu müssen. Die meisten Mütter freuen sich sicher über einen Blumengruß, einen Besuch oder Telefonanruf und hoffen im Stillen, dass ihre Kinder daran auch ohne „Muttertag“ gedacht hätten.
Eleonore Zorn
Als PDF
Bettelblumen und Vergissmeinnicht-Tasse
Der Muttertag ist auch für die Großmütter von heute ein Tag, der Erinnerungen an die eigene Kindheit hervorruft. Gestern habe ich doch spontan eine bestimmte Tischdecke aufgelegt, die ich von meiner Mutter geerbt und lange als kitschig empfunden habe. Nun bin ich siebzig und kann mir Kitsch erlauben, vor allem, wenn er mit einer Erinnerung an meine Kindheit verbunden ist.
Muttertagsrituale in meiner Kindheit
Als Kind schenkten meine Geschwister und ich unserer Mutter immer einen Muttertags-Frühstücksteller. Wir waren Flüchtlinge (1945) und hatten weder Haus noch Garten. Deshalb erbaten wir uns bei Nachbarn mit Blumengarten eine Handvoll Vergissmeinnicht. Diese legten wir auf einen mit Wasser gefüllten Suppenteller, immer die Stiele in der Mitte, die Blüten nach außen zum Rand hin ausgerichtet. Darauf stellten wir dann einen Frühstücksteller mit Tasse und das Ganze dann aufs Fensterbrett, etwa ein bis zwei Tage vor dem eigentlichen Muttertag.
Es ist wichtig, dass Tageslicht oder Sonne auf die Blumen fällt, denn sie neigen ihre Köpfe der Sonne zu, was dann erst den von uns gewünschten Effekt erzeugte. Bis zum Muttertag hatten sich dann die Vergissmeinnichtstängel mit den Blüten am Tellerrand aufgerichtet und standen senkrecht wie eine Blumen-Mauer um die Tasse, den Frühstücksteller und den Suppenteller mit dem Wasser.
Dieses Gedeck stellten wir dann am Ehrentag auf Mutters Frühstücksplatz, nie ohne den obligatorischen Fliederstrauß mit roten Tulpen. Alle diese Blumen hatten wir bei Nachbarn „erbettelt“. Es gab viele Gärten. Die Straße, in der wir wohnten, war lang. So hatten wir immer eine große Ausbeute und waren sehr, sehr stolz auf unseren Erfolg. Meine Mutter hatte auch eine Tischdecke mit Fliedermuster, die sie ihre „Muttertagstischdecke“ nannte, denn wir Kinder wählten immer zielsicher diese Decke für den Frühstückstisch am Muttertag.
Dieser Tag war meist schöner als die Geburtstage oder andere Festtage. Als wir älter waren, buken wir für Mutter einen Kuchen und schenkten ihr Schmuck oder einen schönen Schal aus leichtem Sommermaterial. Aber die Wirkung war nie so groß wie damals, als wir uns die Mühe mit den Bettel-Blumen gemacht hatten und das Vergissmeinnicht-Gedeck vorbereiteten.
Passende Geschenke, heute kein Problem
Heutzutage ist es leicht, passende Geschenke zu finden oder großartige Blumengebinde zu kaufen. Das größte Geschenk für alle Mütter ist Zeit. Ein Besuch mit großem Zeitbudget und ohne Hektik – das ist das beste Präsent für alle Beteiligten. Denn auch den Kindern tut ein ruhiges Gespräch am Kaffeetisch gut, denn wann sonst nimmt man im Laufe des Jahres sich die Zeit dazu.
Eleonore Zorn