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Die Schwaben – sind wer?

schwabenEine Ausstellung zur schwäbischen Geschichte, aber nicht nur.

Als „Neigeschmeckte“, das ist schwäbisch und bedeutet „zugezogen nach Schwaben“, kann es durchaus sinnvoll sein, etwas über die Schwaben und ihre Geschichte zu lernen. So jedenfalls hatte ich es mir gedacht. Und auch, ob es nun wirklich um die Frage geht, als Schwabe Mythos oder Marke zu sein (man kann es durchaus so sehen). Dies kann oder besser soll man in der derzeit in Stuttgarter zu sehenden Ausstellung erfahren können. Ich habe es versucht und mußte feststellen, dass der Untertitel der Ausstellung „Zwischen Mythos und Marke“ wohl doch eher ein Sprachspiel und ein Werbeinstrument ist und eher wenig der Konzeption der Ausstellung gerecht wird. Aber der Reihe nach.

Die schwäbische Geschichte und Kunstgeschichte führt zunächst chronologisch von der Alemannenzeit bis zur Gegenwart, an dessen Anfang man wirklich etwas lernen kann: der Schwabe ist nicht identisch mit dem antiken Sueben, auch wenn er diesem seinen Namen verdankt. Leider endet diese Erkenntnis denn doch sehr schnell, denn danach tritt eben doch der Suebe sehr stark in den Vordergrund. Im Folgenden fehlen dann überraschenderweise leider die alemannischen Grabfunde, es gäbe sie reichlich in der Region (wer mehr dazu erfahren möchte, schaue hier: Die Alamannen). Die nun in der Chronologie folgende christliche Missionierung der Alemannia wird per frühmittelalterlicher Sakralkunst dargestellt. Auch ein reichhaltig vorhandenes Objekt, denn es taucht von nun an reichlich in der Ausstellung auf. Zu verstehen ist dies bei dem breit angelegten Thema „Schwaben“ nicht, auch wenn sie natürlich schön anzuschauen sind.

Die Zeit vom Hochmittelalter bis zur Neuzeit wird durch die Vorstellung von vier Städten und deren herausragenden historischen Ereignissen: Konstanz am „schwäbischen Meer“ (das ist der Bodensee) als Sitz des „schwäbischen Bistums“. Etwas irritierend ist hier die aufgeworfene Frage, ob die Schwaben tapfer seien. Ja, es gibt schlüssige Quellen dazu, aber was das mit der dargestellten Sakralkunst zu tun hat, bleibt unbeantwortet. Ulm als Reichsstadt führt zum Thema der schwäbischen Freiheit. Nun ja, man mag das so machen. Ebenfalls schwäbisch, wenn auch Bayrisch-Schwaben, ist Augsburg, das wird heute gerne übersehen. Nicht aber übersehen wird, dass man die Schwaben, oder sie sich selbst, als reich bezeichnen. Die Fugger haben es im 16. Jahrhundert sicherlich zurecht so gesehen. Die Sakralkunst spricht ein deutliches Wort. In Ulm war diese sicherlich nicht weniger eindrücklich, aber man hat dort ja das Gegenstück zum Reichtum – die Ulmer Schachtel als Zeichen der Armut, denn mit ihr wanderten die Schwaben aus, die Donau hinab, zu Hause gab es kein Auskommen mehr.

Fehlt als vierte Stadt die heutige Landeshauptstadt Stuttgart. Die Ausstellung startet mit dem 19. Jahrhundert und einem Blick auf eine Reihe großer Schwaben, insbesondere Dichter und Denker. Mit dem Auftritt des Königreichs Württemberg wird dann auch Schwaben irgendwie zu Württemberg („schwäbische Nation“) und die Ausstellung bleibt in der Folge etwas verengt bei Württemberg. Und wenn schließlich das 20. Jahrhundert erreicht ist, bekommt man als Besucher doch ein eigenartiges Gefühl: waren die Schwaben nicht dabei, als das NS-Regime Einzug hielt? Konnte man „im Kontrast dazu“ wirklich in Stuttgart eine moderen Metropole entwickeln, ein Zentrum der Künste und der Industrie (siehe Ausstellungstext im Raum zu Stuttgart)? Und auch darüber hinaus werden zwar die Geschwister Scholl und Graf Stauffenberg als Beispiele für den Widerstand gezeigt, aber die die Orte der Verbrechen, die es auch in Württemberg gegeben hat oder ein Hans Filbinger als eine der Figuren des 3. Reichs, werden nicht erwähnt. Zu oberflächlich, zu knapp, und zu klein, was vom Nationalsozialismus in Württemberg zu sehen ist.

Kurzer Exkurs: Auch hierzu lassen sich im Web sehr gute Seiten finden, z.B.

Die Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus (Kommission “Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus”)

Interessant auch ein gesonderter Blick nach Baden mit einigen Besonderheiten:  Baden – Herrschaft es Nationalsozialismus (leo – landeskunde entdecken online)
Nahezu praktisch wird es dann im „Sprachlabor“, in dem man sich einmal, so man es sich noch nicht andern Orts hatte zu Gemüte führen können, den schwäbischen Dialekt inklusive seiner Abweichungen anhören kann. Und ebenso lebensnah geht es dann im „Allerschwäbischsten“ zu – Utensilien der Kehrwoche, das Spätzlebrett, die Sparschaltung des Kellerlichts usw. Und mit letzterem sind wir auch schon beim reichen schwäbischen Erfindergeist, der dann am ehesten etwas mit der Marke zu tun hat. Übrigens waren diese Erfinder nun nicht unbedingt alles gebürtige Schwaben, aber der echte Schwabe sagt ja mittlerweile, das man sich auch als solcher fühlen kann. Ob er das auch zuläßt, nun ja, da habe ich als persönlich Betroffene doch immer wieder meine Zweifel.

Vielleicht noch ein Satz zur Technik: der Audioguide ist mehr oder weniger gut, man sollte sich Zeit geben zum Eingewöhnen; die Scanpunkte könnten besser zu finden sein; weiße Schrift auf Glas oder Spiegel sehen schön aus, sind aber gerade für in der Sehfähigkeit eingeschränkte Menschen nur schwer zu lesen, und übrigens nicht nur für diese.

Als Fazit läßt sich festhalten, dass es wenig Kritsiches gab, auch keine Persönlichkeiten, derer man sich in Schwaben nicht so gern erinnert. Und was hielten die Württemberger denn eigentlich von der Reichsgründung 1870/71 (ein eindrucksvolles Denkmal zu den vorangegangenen Schlachten steht gleich neben dem Ausstellungsgebäude) und in welchem Ausmaß nahmen sie Teil am Nationalsozialismus? War das anders als in anderen deutschen Landen? Insgesamt eine breite Sammlung von schönen Ausstellungsstücken, die natürlich auch einen Einfruck geben von den Leistungen der Schwaben. Eine Ausstellung zu dem Thema, das der Titel suggeriert, ist es wohl eher nicht. Schade, denn in Stuttgart waren schon wirklich große „große Landesausstellungen“ zu sehen, sie können es besser.

Ellen Salverius-Krökel

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