Als kunstinteressierte Stuttgarterin weiß man natürlich, wenn man nach Dessau reist und dort das Bauhausgebäude besucht, dass in Anlehnung an ein architektonisches Detail ein ganz berühmtes Bild von einem Stuttgarter Künstler gemalt wurde – die „Bauhaustreppe“ von Oskar Schlemmer. Und als ich im Herbst letzten Jahres also im Dessauer Bauhausgebäude im Treppenhaus stand und versuchte mich zu erinnern, dass ich das berühmte Gemälde dazu schon mal gesehen hatte, da überkam mich doch ein Hauch Wehmut, dass ich dazu erstmal über den Atlantik, nach New York fliegen müßte, um es mir noch einmal ansehen zu können. Denn mein Besuch des Museum of Modern Art, MoMA, ist etliche Jahre her. Nun aber würde man, wen wundert‘s, gerne nochmal ein Blick darauf werfen, schauen, ob es da tatsächlich eine Ähnlichkeit gibt, vor allem nach den umfassenden Restaurierungen in Dessau. Und damit wenigstens die reale Treppe nicht so schnell aus dem Gedächtnis entschwindet, habe ich die natürlich fotografiert.
Dass ich nun aber, die Worte und Bilder aus Dessau fast noch im Ohr, das Gemälde so schnell wiedersehen würde, und dass ohne einen USA-Besuch, hätte ich zum einen nicht gedacht und war zum anderen von den Museumsleuten in Stuttgart auch fast nicht mehr zu hoffen gewagt worden. Denn mit der Planung der großen Oskar-Schlemmer-Retrospektive in Stuttgart war natürlich auch sofort der Wunsch präsent, Schlemmers wohl berühmtestes Werk, und von ihm als „vielleicht mein bestes Bild“ genannt, in der Staatsgalerie zu Stuttgart zeigen zu können. Doch so einfach war diese Leihgabe nicht zu bekommen. Zweimal verneinte das „Museum of Modern Art“ die Leihgabe, aber schließlich konnten die Stuttgarter ihre Kollegen eben doch überzeugen – das Gemälde ist nach Stuttgart gekommen! Dr. Ina Conzen, Kuratorin der Ausstellung, erinnert dabei auch daran, dass „Schlemmer 1932, als das Bild entstand, miterleben musste, wie das Bauhaus in Dessau auf Druck rechtsnationaler Politiker geschlossen wurde. Er selbst war zu diesem Zeitpunkt dort nicht mehr tätig, sondern unterrichtete bereits an der Kunsthochschule Breslau. Seine Reaktion auf die zunehmend bedrohlichen politischen Umstände, war die »Bauhaustreppe«: Ein Werk, das den idealen »Bau der Zukunft« heraufbeschwört.“ Das Bild können Sie am besten hier ansehen:
(Fotos: privat)
Schlemmer hat für sein Bild übrigens ein Foto des Treppenhauses genutzt, es zeigte die Treppe in dem 1926 von Walter Gropius entworfenen Bauhausgebäude. Das Foto hatten Studentinnen der Weberinnenklasse gemacht. Wenn man nun also beides vergleicht, dann erkennt man sehr genau, dass er als Künstler zu Werke gegangen ist und damit auch seine Idee umgesetzt hat: Jede der Gestalten folgt hier ihrem eigenen Weg, aber zusammen bilden sie eine Gruppe, eine Gemeinschaft von Individuen.
Und wie ist das Bild nach New York gekommen? 1933 konnte man schon nicht mehr so einfach Werke von Oskar Schlemmer zeigen. Für ausgewählte Besucher gab es aber einige im Stuttgarter Kunstverein zu sehen. Ein Vertrauter des späteren Direktors des MoMA, Alfred Barr, konnte es wenig später kaufen, als Geschenk kam es dann an das MoMA – und zu Weltruhm: ein bildgewordener Botschafter der Bauhausidee – die Vision einer neuen Welt.
Beides, die Bauhausidee und das berühmte Gemälde kann man derzeit in Deutschland bewundern.
Mehr dazu, vor allem aber Bilder, findet man hier bei uns auf den Seiten:
Bilder von Oskar Schlemmer auf unseren Seiten
Um sich über das Bauhaus und seine Meisterwerke zu informieren, kann dies auch mal nicht-lesend tun – es gibt immer noch die wunderbaren Filme aus der Fernsehserie 100(0) Meisterwerke. Und in dieser Reihe gibt es eine DVD mit dem Titel Bauhaus-Meister – Feininger, Albers, Moholy-Nagy, Itten, Schlemmer. Und von letzterem wird hier auch das Bild „Bauhaustreppe“ erhellend besprochen. Zu finden im örtlichen Handel oder im Internet, z.B. bei jpc.de. Kostet ca. € 15.
Im Kunstmuseum-Shop hier in Stuttgart habe ich eine weitere DVD zum Thema Schlemmer erstanden: Bühne und Tanz – Oskar Schlemmer, Edition Bauhaus, z.B. Buchhandlung König (auch im Internet) oder diverse Museumsshops, € 14,90. Es geht, natürlich, um das Triadische Ballett, entstanden in seiner Dessauer Zeit, als er war dort am Bauhaus von 1923 – 1929 Leiter der Bühnenwerkstatt war. Er untersuchte, im Sinne Walter Gropius, der im Bühnenwerk ein mit der Baukunst vergleichbares Zusammenspiel verschiedener Disziplinen zu einer „orchestralen Einheit“ sah, grundlegende Elemente der „Bühnengestaltung“, um sie neu zu formulieren. Will sagen, geometrisches Spiel mit Form, Farbe, Ton, Bewegung, Licht, und damit das Spannungsfeld von Mensch und Raum, die grundlegenden Bedingungen des theatralen Gestaltens. Was hier so kompliziert klingt, ist wirklich sehr schön und informativ anzuschauen. Und wenn man dann in Stuttgart noch die Figuren dazu bestaunen kann …
Viel Vergnügen bei so viel Kunst!
Ellen Salverius-Krökel