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Ricarda Huch – eine empfindsame, vergessene Historikerin

Es hat mal wieder nur eines ganz kleinen Schnipsels Papier, in diesem Fall in Form einer Briefmarke, bedurft, um mich zu erinnern: diese Autorin habe ich einmal sehr gerne gelesen. Und dies aus mehreren Gründen.
Aber der Reihe nach. Der Schnipsel Papier war eine relativ neue Briefmarke und darauf abgebildet war Ricarda Huch, der zu Ehren die Marke herausgegeben worden ist. Die Historikerin und Schriftstellerin hätte am 18. Juli ihren 150. Geburtstag gefeiert.

Ricarda Huch briefm

Gewundert hat es mich aber dann doch, denn Ricarda Huch ist eigentlich schon vergessen. Vor 75 Jahren aber galt sie als die bedeutendste deutsche Dichterin und Schriftstellerin, sie galt als erste Deutsche, die studierte und promoviert wurde, sie konnte wie kaum ein anderer Autor historische Fakten in lebendige Szenen verwandeln, nachzulesen vor allem in ihren historischen Werken wie „Der Dreißigjährige Krieg“ oder ihre „Deutsche Geschichte“ in drei Bänden. Was man 1912/14 bzw. 1929 als neuer historischer Roman hoch gelobt wurde, stieß in der männlichen Kollegenwelt aber deutlich auf Skepsis. Eine empfindsamere Historikerin hat es wohl nicht gegeben. Darüber hinaus aber hat sie auch zahlreiche Erzählungen, Novellen und Gedichte geschrieben, und ja, auch Kriminalromane – „Der Fall Deruga“(1917). Dieser Roman, nicht sonderlich geliebt von ihr, ist nun wieder neu herausgegeben worden. Er ist dringend des Lesens zu empfehlen! Aber, wie bereits angedeutet, nicht nur dieses Buch. Vielleicht ist ihre Nähe zur schöngeistigen Erzählung zu verdanken, dass ihre historischen Werke so ungemein gut lesbar sind.

Indem man sich ihrer nun also erinnert, kommen auch wieder die vielen Lobeshymnen auf sie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder zum Vorschein, die da andere Geistesgrößen wie etwa Thomas Mann 1924 anlässlich ihres 60. Geburtstags über sie sagten: „Die erste Frau Deutschlands … wahrscheinlich heute die erste Europas …“

Das, was dann ab 1933 bis 1945 folgte, konnte sie nur als Niedergang des Geistes wahrnehmen. Sie trat dann auch 1933 demonstrativ aus der Preußischen Akademie aus politischen Gründen aus, weil sie von den Nazis vereinnahmt werden sollte, blieb aber in Deutschland und „ging“ in die innere Emigration. Was sie aber nicht von ihrer Arbeit entfernte. Da kommt mir dann das Zitat in den Sinn, der auf der genannten Briefmarke zu finden ist: „Kein Fürchten soll mich lähmen.“ 1947 dann eröffnete sie den ersten freien Schriftstellerkongress. Noch im selben Jahr starb Ricarda Huch während einer Reise bei Frankfurt/Main.

Nun, 100 Jahre nach ihren ersten Erfolgen, würdigt sie endlich auch die Wissenschaft als Historikerin.

Im Internet läßt sich, neben etlichen guten Texten, auch einiges an Ton- und Bildmaterial finden:
Beim br unter alpha-campus findet sich ein sehr guter 2-teiliger Videomitschnitte eines Vortrages aus der Reihe „Berühmte Forscher und Gelehrte“
http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/alpha-campus/vortrag-huch-102.html

http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/alpha-campus/vortrag-huch-106.html

Bei DeutschlandradioKultur kann man eine Besprechung zum genannten Kriminalroman „Der Fall Deruga“ anhören
Kurzkritik: Der Fall Deruga

Und letztlich doch lesen, und zwar ausführlich, kann man hier über Ricarda Huch:

http://www.ricarda-huch.com/

Ellen Salverius-Krökel

Ein Gedanke zu „Ricarda Huch – eine empfindsame, vergessene Historikerin“

  1. Ich habe mich kürzlich über die Sonderbriefmarke für Ricarda Huch gefreut und nun freue ich mich, zu lesen, dass „Der Fall Deruga“ neu aufgelegt wurde. Als ich diesen Kriminal-Roman vor langer Zeit gelesen habe, war ich gefesselt von der Vielseitigkeit der Themen, die hier zu einem (Psycho-)Krimi verarbeitet wurden. Das Thema „Sterbehilfe“ war damals schon ein viel diskutiertes (Tabu-Thema) und ist jetzt wieder ganz aktuell.
    Ricarda Huch hat ein für die damalige Zeit sehr selbstständiges und selbst verantwortliches Leben geführt. Um so erstaunlicher ist es, dass sie so wenig Beachtung in der Geschichte der Frauenbewegung gefunden hat.
    Das kann sich ja noch ändern.

    E. Zorn, Mannheim

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