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Zum Jahreswechsel 2015

Miss Sophies Party im Dinner for One, laute Sylvesterkracher, gemeinsame Jahresabschlussgottesdienste, weit leuchtendes Feuerwerk, Mitternachtsorgelkonzerte, aber auch einfach nur ruhige besinnliche Stunden im kleinen Kreis, das kennen die meisten von uns zum Beginn einens neuen Jahres, zu „unserem“ Neujahrsfest, das wir jährlich am 1. Januar begehen. Glückwünsche werden ausgetauscht, Lieder gesungen wie dieses hier, das ich in meinem Weihnachtsnotenbuch aus Kindertagen gefunden und abgeschrieben habe. Und viele von uns werden auch ihre eigenen Erfahrungen zu diesem Fest einbringen können.

Nicht alle Menschen begehen ihr Neujahrsfest am gleichen Tag, wie wir es kennen, am 1. Januar. Und hier bei uns wurde erst 1691 durch Papst Innozenz XII. der 1. Januar als Neujahrstag eingeführt. Davor galt für Christen der 6. Januar, später der 25. Dezember als Jahresbeginn. Religionen, Kulturkreise, Zeitenrechnung nach dem Sonnen- oder Mondkalender nehmen seit Jahrhunderten Einfluss auf die Festlegung dieses besonderen Tages.

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Religionsgeschichtlich betrachtet kommt dem Neujahrsfest in allen Kulturkreisen und allen Religionen eine ähnliche Bedeutung zu. Das Vergangene überdenken und das Zukünftige planen und gestalten, wobei im Vordergrund die persönliche Lebensgestaltung und individuelle Lebenseinstellung stehen, Ende und Neubeginn.

Das Bild „ayn gut nev Jahr“, ein Einblattholzschnitt aus dem 15. Jh. aus wikisource zeigt eine vollkommen andere Darstellung eines Bildes zu Neujahr, als uns die Seiten des Goethezeit-Portals präsentieren, auf denen Glückwunschkarten zum Jahreswechsel in der eher bevorzugten lieblichen Ausschmückung aus den ersten 1900er Jahren angeboten werden.

In diesem Jahr hat mich besonders interessiert, wie meine frühere Arbeitskollegin aus Singapur, mein afghanischer Taxifahrer vom letzten Sonntag, meine iranische Busnachbarin heute früh und Menschen anderorts dieses Fest feiern, Menschen, denen ich in letzter Zeit begegnet bin.
Nur einige wenige Länder möchte ich hier stellvertretend vorstellen; wobei ich den Kreis unendlich größer ziehen könnte, denn in diesem Jahr sind viele Menschen aus fremden Ländern zu uns gekommen, von deren Bräuchen wir in der Regel sehr wenig kennen.

Singapur

Auch heute noch fährt meine ehemalige Arbeitskollegin, wenn möglich, zum Frühlingsfest, dem chinesischen Neujahrsfest nach „Hause“. Es ist das wichtigste Fest des Jahres, dass von allen Chinesen und überall dort in aller Welt begangen wird, wo Menschen aus Indonesien, Malaysia, Phillipinen, Singapur oder Thailand leben.

Es beginnt am zweiten Neumond des chinesischen Lunisolarkalenders und endet mit dem Laternenfest am 15. Tag. 2016 finden die Feierlichkeiten ab dem 8. Februar statt. Hintergründe, wie Zuordnung des eigenen Geburtsjahres zu entsprechenden Tierkreiszeichen, zur Entstehung und zur genauen Berechnung des nicht an einem feststehenden Termin stattfindenden Festes sind hier nachzulesen.

Drei gesetzliche Feiertage liegen innerhalb dieser Zeitspanne von 15 Festtagen, weshalb viele Chinesen ihren Jahresurlaub in diese Zeit legen, um möglichst lange Zeit mit ihren Angehörigen zusammen sein zu können. Denn zum chinesischen Neujahrsfest versammelt sich die gesamte Familie beim Familienoberhaupt bzw. den ältesten noch lebenden Familienangehörigen.

Alles wird prächtig geschmückt und besonders die roten Lampions, bedruckt mit typischen Schriftzeichen für Glück, Freude und Wohlergehen, verwandeln am letzten Tag des zweiwöchigen Festes einen Ort in ein leuchtendes Lichtermeer. Zum chinesischen Frühjahrsfest gehören die traditionellen Scherenschnitte mit Abbildungen der Tierkreiszeichen, auch wieder in roter Farbe. Eine Auswahl stellt der deutschsprachige Chinasender cri auf seinen Seiten zum Download bereit.

Iran

Beim Vorbereiten dieses Artikels ahnte ich noch nichts von alledem, was ich in meinen Recherchen erfahren sollte. So feiert, was ich bis dato nicht wusste, meine iranische Busnachbarin dieses Neujahrsfest „Noruz“ nach den gleichen Ritualen wie die Familie meines afghanischen Taxifahrers „Nauroz“. Jedes Land hat zusätzlich eigene Zeremonien entwickelt, hat aber auch unterschiedliche geschichtliche Hintergründe. Die einzelnen Regierungen sowohl in Afghanistan als auch im Iran, dem alten Persien, wie einige von uns noch unter den verschiedenen Regimen kennengelernt haben, versuchten ihren Menschen die Pflege ihrer Traditionen zu verbieten, was ihnen aber nicht vollkommen gelungen ist.

Nowruz gilt als wohl ältestes Fest der Menschheit und beginnt mit dem astronomischen Frühlingsanfang, der nach der gregorianischen Zeitrechnung auf den 20. oder 21. März eines Jahres fällt und im Iran gleichzeitig auch als der Beginn des Kalenderjahres gilt, anders als bei uns. Höhepunkt des persischen Frühlingsfestes ist der Tag der Tag und Nachtgleiche.
Seit 2016 hat die UNESCO dieses Fest, das als Fest der Liebe bezeichnet wird, in die Liste der immateriellen Kulturgüter eingeordnet.

Als wichtige Vorbereitungen des Festes werden die Reinigungszeremonien beschrieben. Alles Zerbrochene und Überflüssige im Haus sollte entfernt werden, Ordnung ist ein wichtiger Punkt ebenso wie die Reinlichkeit des eigenen Körpers, um sich symbolisch von Schuld zu befreien, wie es überliefert wird.

Wichtiges Brauchtum sind die Haft-Sin („Sieben-S“).
Die brennende Kerze in jedem Zimmer des Hauses als Symbol des Lichtes und ein festlicher Tisch mit sieben (es dürfen auch mehr sein) Lebensmitteln und Gegenständen, die alle mit dem Buchstaben „S“ (pers. Sin) beginnen:

Sabze (Weizen- oder Linsensprossen), symbolisiert  Fruchtbarkeit
Samanu (eine süße Speise aus Weizenkeimen),
Sir (Knoblauch),  symbolisiert Gesundheit
Serke (Essig), steht für die Geduld und ein langes Leben
Somagh (saures Gewürz),
Sib (Apfel) symbolisiert  Liebe und Lebensfreude
Sonbol (Hyazinthe) symbolisiert Schönheit
Der zusätzlich aufgestellte Spiegel als Symbol für Glück und ein Glas mit Goldfischen sind für viele auch ein unbedingtes Muss.

Afghanistan

In Afghanistan haben sich einige etwas andere Rituale entwickelt.
Auf mindestens 3000 Geschichtsjahre gehen hier die Bräuche zum Nauroz-Fest zurück. Die Menschen erlebten wechselnde und teils leidvolle Änderungen auch während das Talibanregimes, jedoch alte Traditionen haben sich weiterhin erhalten.

münster_dom

Anders als im Iran ist in Afghanistan der 21. März als fixer Termin eingeführt. Kinder werden beschenkt, man macht Ausflüge in die Natur und als Besonderheit wird seit einigen Jahren wohl das Beschenken der Brautleute gepflegt.
Märchenerzähler treten auf und die vielfältigen Spiele für Kinder sorgen für Abwechslung. Karussells, aufgestellt selbst neben Friedhofsanlagen, fahren zur Freude der Kinder, es kann gefeiert werden. Der Grund besteht darin, dass man selbst der Toten auch an diesem Fest gedenkt, sie mit in die Feierlichkeiten einbezieht.

Mit dem Festgeläut des Münsterschen Domes wünschen wir ALLEN MENSCHEN ein frohes Neues Jahr 2016!

Ellen Salverius-Krökel und Margret Budde


Bilder

Dom zu Münster, Margret Budde
Holzschnitt, Wikisource, gemeinfrei
Festgeläut, Margret Budde

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